Südbaden ist konfessionell ein Flickenteppich. Das Dorf Haslach, 786 urkundlich erwähnt und deutlich älter als die benachbarte Stadt Freiburg, 1890 nach Freiburg jedoch eingemeindet, wurde während der Reformation protestantisch. Der Zuzug katholischer Mitbürger führte aber bereits 1866 zum Bau einer kleinen katholischen Kirche. Mit dem weiteren Wachstum des Stadtteils wurde ein größerer Kirchenbau notwendig: die zwischen 1907 und 1909 errichtete Kirche St. Michael, meine Pfarrkirche. Hier wurde ich getauft, empfing die Erstkommunion, diente als Ministrant, unternahm erste "tastende" Versuche an der Orgel und wurde religiös sozialisiert. Den Kirchturm sehe ich quasi vom Küchenfenster aus und freue mich am Geläut. By the way: Dankbar denke ich an Pfarrer Franz-Josef Ehrat und den damaligen Vikar Hans Scheuermann zurück.
Der Innenraum von St. Michael wurde - vor allem in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhundert - mehrfach nach dem herrschenden Zeitgeschmack umgestaltet. Ich sage es vorweg: Glücklich bin ich damit nicht und nie geworden! Das betrifft vor allem die Neugestaltung nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil (so hatte ich die Kirche als Kind und Jugendlicher erlebt), aber auch eine weitere Umgestaltung durch den Breisacher Künstler Helmut Lutz rund um die Jahrtausendwende (zu all diesen "Modifikationen" mehr in späteren Beiträgen). Mir fällt keine weitere Kirche in Freiburg ein, deren ursprüngliche Optik in ähnlichem Maße fragwürdigen Moden zum Opfer gefallen wäre. Die meisten Darstellungen dieses Beitrags sind übrigens Fotos der in der Kirche derzeit ausgehängten Bilder, weswegen die Qualität zuweilen nicht optimal ist.
Noch eine Anekdote am Rande: Nachdem ich irgendwann ein Foto des alten Hochaltars gesehen (und das zwischenzeitlich karge Elend bei jedem Gottesdienst vor Augen) hatte, schwärmte ich bei einer Ministrantenfreizeit von der vergangenen Pracht; eine Betreuerin erwiderte darauf lachend: "Du landest mal bei Lefebvre". Damals hatte ich keinen blassen Schimmer, wer oder was das sein soll, aber die Frau lag mit ihrer Prognose nicht falsch (unbenommen der Tatsache, dass ich mich zwischenzeitlich der Petrusbruderschaft verbunden sehe).
Eine kleine Fotoausstellung in der Kirche blickt derzeit auf diese Entwicklungen zurück, dankenswerter Weise initiiert durch, wenn ich das richtig sehe, Pastoralassistentin Barbara Schatz - dankenswert nicht zuletzt, weil Details zur Geschichte dieser Kirche meines Ermessens bislang historisch valide nie aufgearbeitet worden sind; auch der kleine Fotorundgang bleibt mit seinen kurzen Erläuterungen zuweilen etwas im Ungefähren stecken. Genauere Sachverhalte und Hintergründe müssten wahrscheinlich im Erzbischöflichen Archiv recherchiert werden (was eine spannende Sache sein könnte). Die Ausstellung hält immerhin einige Erinnerungen wach und weckt Neugier.
Gesicherte Fakten: St. Michael wurde vom Architekten Raimund Jeblinger (1853-1937) entworfen. Für die Ausmalung zeichnete der Kunstmaler Franz Schilling (1879-1964) verantwortlich (beide arbeiteten bereits beim Bau des Erzbischöflichen Ordinariats zusammen), plastische Arbeiten trug der Bildhauer Joseph Dettlinger (1865-1937) bei. Gebaut wurden zunächst nur etwa zwei Drittel der Kirche (Bild 2 verschafft einen guten Eindruck der Formsprache, derer sich Jeblinger dabei bediente). In den 1950er-Jahren wurde das Gotteshaus um zwei Joche erweitert, wobei die vorhandene Architektur vereinfacht fortgeschrieben und um einen seitlichen Turm ergänzt wurde (Bild 1).
Bemerkenswert ist die Lösung, das Kirchenschiff mit einer apsidialen Struktur abzuschließen, an welche eine Apsidiole anschließt, deren Rundung sich in der Stufenanlage mit Kommunionschranken spiegelt. Das in der Ausdehnung eher kompakte, aber ausreichend große Presbyterium (Bild 4) nahm eine konzentrierende Kreisform an: Spiegel göttlicher Ordnung und Harmonie. Das Volk konnte sich dabei nah um den Altar scharen.
Blickfang war der von Joseph Dettlinger gearbeitete Hochaltar. Über einer steinernen Mensa erhob sich ein Retable mit dem Tabernakel, flankiert von Halbreliefs der vier Evangelisten. Bekrönt wurde es von einer Kopie der den dortigen Lettner dominierenden Kreuzigungsgruppe des Wechselburger Doms. Der gesamte plastische Schmuck war größtenteils vergoldet.
Die Ausmalung von Franz Schilling mit der die vordere Apsis dominierenden Darstellung des Pfingstwunders erscheint in ihrem etwas eklektizistischen Historismus zunächst womöglich überladen. Der Gesamteindruck (Bild 3) wirkt aber meines Dafürhaltens harmonisch, da sich die detailfreudige Ikonographie erst ab der halben Raumhöhe prachtvoll ausspannt, während sie sich in der unteren Hälfte zurücknimmt. Nichtdestotrotz hat man sie - und damit für heute genug - in den 1950er-Jahren mit Ausnahme des Pfingstbildes weiß übermalt - vermutlich im Zusammenhang der Kirchenerweiterung und der Schaffung eines schlichteren Raumbildes; solche Purifizierungen waren damals nicht unüblich (Bild 5) - das Schlimmste kommt aber erst noch ... Fortsetzung folgt ...