Montag, 17. Februar 2020

Die Kirche | das größere Ganze

| Reden wir nicht von denen, die freudig erwarteten, dass ihnen der Papst endlich ein rammelndes Kaninchen aus dem Hut zaubern würde, sondern von denen, die wie das Kaninchen vor der Schlange saßen und die schleichende Aushöhlung des Zölibats - den Pforten der Hölle gleich - kommen sahen. In den letzten Jahren macht sich unter traditionsverbundenen Katholiken (bezeichnend, dass man heute zu dieser Tautologie greifen muss - dies aber nur am Rande bemerkt!) eine seltsame Mischung aus Bammel, Furcht, Resignation und innerem Exil breit, das meines Ermessens auch daher rührt, dass man bei "der Kirche" nicht mehr das größere Ganze im Blick hat, obschon gerade diese Sichtachse für eine in und mit der Weltzeit streitende Kirche von größter Bedeutung ist.

An dieses größere Ganze erinnerten mich heute einige Gedanken des hl. Augustinus aus dessen Enchiridion, die mir bei der Lektüre von Henri de Lubacs Geheimnis, aus dem wir leben (Einsiedeln / Freiburg 1990, S. 82) begegnet sind:
Die sachlich richtige Ordnung des Glaubenssymbols verlangte, dass auf die Dreieinigkeit die Kirche folge, wie auf den Bewohner sein Haus, auf Gott sein Tempel, auf den Gründer seine Stadt; und zwar die Kirche, die hier in ihrer Gesamtheit zu verstehen ist,
nicht allein in ihrem Teile, der auf Erden pilgert und "vom Sonnenaufgang bis zum Untergang" den Namen des Herrn lobt (Ps 122, 3) und nach der Befreiung aus der alten Knechtschaft ein neues Lied singt (Apk 5, 9),
sondern einschließlich ihres Teiles im Himmel, der vom Tage seiner Schöpfung an ständig mit Gott verbunden war und niemals das Unheil eines Sturzes erleben wird.

Dienstag, 11. Februar 2020

Einsamkeit ... und Zölibat

| Madeleine Delbrêl (1904-1964), die ein Leben aus katholischer Aktion in der vom Kommunismus geprägten französischen Industriestadt Ivry und aus mystischer Versenkung führte und die durch Papst Franziskus im Rahmen einer möglichen Seligsprechung vor rund zwei Jahren zu einer "ehrwürdigen Dienerin Gottes" erklärt wurde, schrieb einmal ...

... "die wahre Liebe zu Gott" müsse "in einer wesentlichen Zone unserer selbst menschliche Einsamkeit sein oder es werden". Und sie glaube, "dass Gott diese Einsamkeit braucht, um in die Welt zu gelangen und in ihr zu wirken". Mehr noch! Diese Einsamkeit "scheint mir ein Sakrament für die Welt zu sein. Sie ist einer der tiefsten Risse, die dem Herrn und seiner Erlösung erlauben, durch uns hindurch in die Welt einzudringen. So sehe ich schon lange die Ehelosigkeit und alle anderen Arten der Einsamkeit ...".

Die Einsamkeit, von der hier die Rede ist, meint meines Ermessens den Moment, in dem der Mensch ganz auf Gott hin und darum bei sich selbst und frei von aller Ablenkung ist. "Seine großen Begegnungen mit Gott", so Delbrêl, "hat der Mensch allein". Und: "Einkehr halten besteht im Willen, uns allein von Gott rufen zu lassen".

Einsamkeit als Horizont der Gottesliebe, als Rahmen des göttlichen Wirkens, als Sakrament für die Welt, aber auch (und gerade darum) als "Riss" in diese Welt hinein, derer auch der so Einsame letztlich selbst zugehörig ist, ein Riss also, welcher den so Einsamen nicht unberührt und - sei es angesichts der Erschütterung durch Gott, oder auch in der Anfechtung - nicht unverstört, nicht unverletzt lassen mag; eine Einsamkeit, die sich für Delbrêl konkret auch in der Ehelosigkeit manifestiert:

Vielleicht kann es in der Auseinandersetzung dieser Tage helfen, den priesterlichen Zölibat immer wieder in diesem Licht zu betrachten. Ja: Der Priester muss einsam sein. Doch er soll in der Fülle jener Einsamkeit leben, die aus Gott kommt, die zu ihm führt und die die Gnade birgt, Gott zu den Menschen zu bringen.

¶ Zitate aus: Madeleine Delbrêl | Die Liebe ist unteilbar | Einsiedeln / Freiburg (2) 2002 | S. 91.