Mittwoch, 24. September 2025

Lieblingszitate - ein Wort von Henri de Lubac

 

Zu den Büchern, die man in einem Atemzug liest, gehören die Glaubensparadoxe von Henri du Lubac wohl kaum - ich blättere gerne aufs Geradewohl in den Seiten hin und her, um mich auf andere (ich hoffe: gute) Gedanken zu bringen. Von solchen wimmelt es in diesem Bändchen, einer Mischung aus Aphorismen, kurzen Impulsen, Reflexionen ... dann und wann mit der Tendenz zum (sehr) knappen Essay. Gerade heute griff ich danach und stieß auf eine Warnung, die mich an einen Bloggerkollegen erinnerte: an Tobias vom Blog Huhn meets Ei
Tobias lebt (wahrscheinlich trage ich nun Eulen nach Spree-Athen) mit seiner Familie in Berlin und hat keine Scheu, sich auf alle möglichen Leute einzulassen; in Berlin gibt es ... nun ja ... echt alle möglichen Leute (er/sie/dey). Und Initiativen. Multireligiöse WGs. Baumhäuser. Vegane Foodsaving-Festivals: alles Orte und Szenen, an und in denen man nicht unbedingt auf die heile katholische Welt trifft. Tobias wurde jüngst, wenn ich der Sache recht erinnere, gescholten, "da hinzugehen" (ich habe es bislang nur zum Stammgast der Cafébar bei Alnatura gebracht). Und damit zum Zitat von de Lubac:

Lebt, denkt und leidet man nicht mit den Menschen seiner Zeit als einer der ihren, so wird man im entscheidenden Augenblick vergeblich versuchen, sie anzureden, seine Sprache ihrem Ohr anzupassen.

Mag sich nun jeder seinen eigenen Reim drauf machen, was mit "im entscheidenden Augenblick" gemeint sein dürfte. Ich vermute: Rümpft man die Nase, wenn man etwa einer erklärt nonbinären Person mit Nasenring, verwegenen Tattoos und grün gefärbten Haaren gegenüber steht, dann kann man die Samenkörner des Evangeliums auch gleich mit voller Absicht in die Disteln schmeißen. Tatsächlich ertappe ich mich immer wieder bei einer Haltung, die Mitmenschen abwertet, nur weil sie meinem Gusto nicht entsprechen wollen. Gewiss: oft mag Provokation und Protest beabsichtigt sein und harsch auftreten (nicht nur im Äußeren, sondern in der gesamten Haltung). 

Dennoch die Frage: Wieviel ehrliche Hinwendung, Geduld und Liebe bringen wir Zeitgenossen entgegen, die uns prima vista nicht ins Bild passen? Wollen wir das überhaupt - ihnen begegnen? Und: Wieviel Geduld und Liebe erwarten wir von Gott, der bei uns vielleicht keine abgefahrenen Piercings sieht, aber dafür umso tiefer in unsere Abgründe schaut?

Am Rande: Danke, Tobias, auch für den Einsatz rund um die Blogozese ...


Samstag, 20. September 2025

Onlineseminar | 800 Jahre Thomas von Aquin

 

Wir feiern in diesem Jahr den 800. Geburtstag des hl. Thomas von Aquin. Ich lade daher zu einem kleinen Online-Einblick in Biographie und Lehre des Thomas am kommenden Dienstag, 23.09.2025, um 19:30 Uhr. Die Teilnahme ist kostenfrei; hier kann man sich anmelden.

Mittwoch, 17. September 2025

Lektüre über Mond und Arche ... nach Kreuzerhöhung


Hochamt zum Fest Kreuzerhöhung 2025
St. Anton - Basel
Zuweilen schleiche ich gerne im Freihandmagazin der Unibibliothek herum. Die Bücher sind dort nicht nach Thema, sondern in der Reihenfolge ihrer Anschaffung geordnet; das weckt fromme Entdeckerlust - und so wandern Schritte und Augen zwischen den Regalen hin ... und her über die unzähligen Buchrücken. Bei diesen bibliographischen Wanderungen verschaffe ich mir zudem gerne einen Blick über all das, was zuletzt "theologisch" angeschafft wurde, drehe manches in der Hand herum, stelle manches mit Grinsen oder Grusel zurück ins Regal ... oder trage nach Hause, was mein Interesse weckt.  Vor einigen Tagen stieß ich auf die Festschrift für Kurt Kardinal Koch Einheit und Einzigkeit. Ekklesiologische Konkretionen in ökumenischer Perspektive (Hg. Augustinus Sander, Stefan Heid und Hyacinthe Destivelle, Freiburg 2025) - ein Aufsatzband, wie bei Festschriften üblich, darunter ein Beitrag der von mir sehr geschätzten Äbtissin "Schwester Christiana" Reemts OSB (siehe Blog in der blogozesanen Übersicht rechts); sie schreibt über "Realsymbolische Ekklesiologie" der Kirchenväter; diese waren überzeugt, dass "alle Dinge Christus und die Kirche im Vorausbild darstellen", Reemts zitiert hier aus dem Sechstagewerk des Anastasius Sinaita. 

Die Verfasserin geht auf zwei patristische Vergleiche näher ein: Der Mond als Symbol der Kirche, der in seinem Verschwinden und Wachsen den Druck von Verfolgung und Feinden (nicht nur von außen, sondern, so möchte ich hinzufügen, auch in den eigenen Mauern) ebenso spiegelt wie Wachstum und Erfolg, wobei Luna/Kirche im einen wie im anderen das Licht immer von der Sonne, von Christus empfängt. Das andere Bild sieht in der Arche Noachs ein Realsymbol der Kirche. Dazu schreibt Reemts:

Noach ist Typus Christi, die Arche ein Bild für die Kirche und die Sintflut ein Bild für die Welt bzw. für deren Untergang. Noach wird geschildert als der vollkommen Glaubende, der auf Gott vertraut, obwohl er keine Garantie hat, dass Gott ihn wirklich aus der Flut retten wird, ja im Grunde noch nicht einmal, dass eine Flut kommen wird ... "bevor das Wasser der Flut kam" (Gen 7,7). Sein Glaube zeigte sich darin, dass er auf Befehl Gottes etwas tat, was in den Augen seiner Umgebung sicher völlig sinnlos, ja lächerlich war: Bei normalem Wetter, möglicherweise bei Sonnenschein ... eine Arche zu bauen und auch noch in sie hineinzugehen: "... bevor das Wasser der Flut kam". Wer tut denn sowas?

Für uns ist die Arche bereits gebaut: Wie jedoch stehen wir zur Kirche, wenn wir mit unserem Glauben vor Zeit und Kritik mit all den darinnen schwärenden Meinungen und Trends nicht selten in Deckung gehen - als schämten wir uns für diese Arche, die Gott uns hingestellt hat, als hielten auch wir sie für rückständig und morsch und nicht besonders vertrauenswürdig? Sollte sie uns nicht viel mehr jene Arche für die "Hoffnung" sein, die uns "erfüllt": Hoffnung, von der wir allzeit, wenn erforderlich, "Rechenschaft" geben sollen (1 Petr 3,15) - was auch heißen mag, zum Glauben und zur den Glauben bergenden und verbürgenden Arche zu stehen, und das mit Sinn und Verstand, nicht verdruckst und wortkarg kleinlaut - und nicht zuletzt ohne irrelevante Sidekicks zu skurrilen Zerrbildern des Katholischen, zu denen manche ihre Zuflucht nehmen, weil sie nichts Besseres sagen können oder gar wissen wollen?

Reemts zitiert überdies Augustinus; dessen Wort rief mir den vergangenen Sonntag in Erinnerung, das Fest Kreuzerhöhung: 

Unter dem Symbol der Sintflut, bei der die Gerechten durch das Holz gerettet wurden, wurde die künftige Kirche angekündigt, welche von Christus, ihrem König und Gott, durch das Geheimnis seines Kreuzes emporgehoben und vor dem Versinken in dieser Welt gerettet wurde ...; er kündigte durch das Symbol des Holzes die Befreiung der Heiligen an (Vom ersten katech. Unterricht 19,32).

Die "durch das Geheimnis des Kreuzes emporgehobene" Kirche: heißt dies nicht, wenn wir dieses Bild weiterdenken: Sich ihrer zu schämen bedeutet, sich des Kreuzes Christi zu schämen?