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Hans Urs von Balthasar: Schleifung der Bastionen. Einsiedeln (2) 1952 |
Was ich "standardisiert" nenne, verdeutlicht womöglich ein Passus, in welchem Balthasar gewisse Beharrungskräfte beschreibt, die sich selbst genügen. Es gebe ...
... Theologen, die zu meinen scheinen, die Theologie (nämlich die Auslegung der Offenbarung in menschliche Begriffe) sei so weit fortgeschritten, dass sie beinahe vor ihrem Abschluss stehe. Das Haus scheint ihnen gebaut, die Zimmer schon tapeziert, jedem kommenden Geschlecht bleibt eine kleinere, subtilere Arbeit übrig: die Ausschmückung der fertigen Räume, der immer geringer werdenden Zwischen-Räume, das Ordnen in den Schubladen. Zuletzt nur noch das Abstauben. Ein solcher Blick ergibt sich, wenn man nur auf die Tradition schaut. Wenn aber der Heilige (oder eigentlich jeder lebendig Glaubende, Begnadete) die Tradition vergleicht mit dem Ungeheueren der Offenbarung selbst: sinkt ihm dann nicht alles Erreichte zu einem armseligen Häuflein von Gedanken und Begriffen zusammen, die kaum das ABC der Auslegung sind? Si comprehendis, non est Deus; Augustinus hat es hundertfach wiederholt (16f.).
Die hier imaginierte Behäbigkeit ist keine gute Voraussetzung, um auf Fragen und Zweifel (zumal, wenn diese erstmals gestellt werden) angemessen, aufmerksam und sich ehrlich auseinandersetzend zu reagieren, lebendige Antworten aus dem Glauben zu finden und diese den Fragestellern und Zweiflern verständlich zu machen. Und darin inbegriffen die Erfahrung, dass wir manchmal keine Antworten haben (bzw. gut daran täten, etwa das Elend des Anderen nicht mit frommen Phrasen abzukleben) - nicht, weil die Antworten des Glaubens, im Urgestein der Schrift, im Fundament der Kirche und in der Glut ihres Betens verankert, kraftlos wären, sondern weil unser Glaube kraftlos ist.
Balthasars Freund Henri de Lubac malt in seiner Sammlung Glaubensparadoxe die Gefahr einer Degeneration aus, wenn er schreibt:
Ein Glaube kann dem Nullpunkt zustreben, ohne dass ein Zweifel ihn anflöge. Sich höhlend, sich veräußerlichend, allmählich vom Leben zum Formalismus übergehend, kann er sich auch härten und den Anschein prächtiger Stärke gewinnen. Die Rinde ist erstarrt, der Stamm innen faul.
Der Rückzug in eine (in beiderlei Wortsinn) "abgeklärte" Welt birgt stets das Risiko, das Leben jenseits dieser "Bastion" nicht mehr mit zugewandtem Herzen wahrzunehmen und überdies schleichend das Gespür für die Wucht und das Heraus-Fordernde der Selbstmitteilung Gottes zu verlieren. Ich ertappe mich selbst immer wieder dabei, es mir im Überkommenen gemütlich zu machen, und dürfte damit nicht allein sein (ob mit oder ohne "Alte Messe").
Der Redlichkeit halber - Balthasar denkt hier allerdings in eine andere Richtung:
... auch der Theologe, der sich durch die Bemühungen der Gottesgelehrten hindurchstudiert hat, und gerade er, wird, wenn er die Offenbarung anschaut, sich überwältigend klar sein, das fast noch nichts getan ist, ungeheure Gebiete zu erforschen bleiben, ganze Kontinente dieser Landkarte weiß ausgespart sind. Und es geht nicht darum, das im Zeitenlauf erarbeitete zu überrennen, aufzutrennen, geringzuschätzen. Alles echt Wahre bleibt. Aber Umrisse sind noch keine ausgeführten Zeichnungen ... Um nur nach dem Elementarsten zu fragen: die drei Mittelpunkte einer christlichen Theologie sind ohne Zweifel die Lehre von Gott dem Dreieinigen, von Gott dem Wort, das in Christus fleischlich vernehmbar wurde, von Gott dem Geist, der in der Kirche und in ihren Gliedern die Offenbarung der Liebe auslegt. Welche Stellung hat die Lehre von Gott dem Dreieinigen in der christlichen Existenz? ... Wie lebendig könnte die christliche Verkündigung in der Schule, von der Kanzel, auf den Kathedern sein, wenn alle theologischen Traktate trinitarisch durchformt wären! (17f.).
Die Frage nach der Stellung der Lehre von der Dreifaltigkeit in der christlichen Existenz erinnerte mich an die hl. französische Karmelitin Elisabeth von der Dreifaltigkeit; in der Elevation à la Trinité lassen sich Aussagen schürfen wie folgende:
O mein Gott, Dreifaltigkeit, die ich anbete … Ich will bei Dir sein mit meinem ganzen Wesen, ganz wach in meinem Glauben, ganz und gar Anbetung, ganz ausgeliefert an Dein schöpferisches Handeln … O ewiges Wort, Wort meines Gottes, ich will mein Leben damit verbringen auf Dich zu hören … durch alle Dunkelheit, alle Leere, alles Unvermögen hindurch den Blick fest auf Dich richten! In Deinem hellen Licht bleiben! … Geist der Liebe, Feuer, das verzehrt, komm über mich und lass das Wort in Wahrheit neu Mensch werden in mir: Möge ich ihm noch eine Menschheit anbieten, in der er sein ganzes Geheimnis erneut leben kann.
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