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Man stirbt allein. Während Leben immer Gemeinsamkeit sagt, schon im Mutterschoß, so sehr, dass ein einzelnes menschliches Ich weder entstehen noch bestehen noch überhaupt gedacht werden kann, bringt der Tod es fertig, dieses Gesetz der Gemeinschaft für einen (zeitlosen) Augenblick zu suspendieren. Die Lebendigen können den Sterbenden bis an die letzte Schwelle begleiten und dieser kann sich von ihnen begleitet fühlen, am meisten, wenn es die Gemeinschaft der Heiligen ist, die ihn im Glauben Christi hingeleitet; trotzdem kann er nur als ein Vereinzelter die schmale Pforte durchschreiten. Diese Einsamkeit macht den Tod zu dem, was er jetzt ist: zur Folge der Sünde (Röm 5,12); darüber zu spekulieren, was er anderweitig hätte sein können, ist müßig.
Christus hat diesen Sündertod in letzter Radikalität für die Sünder auf sich genommen, in einer dramatischen Prägnanz, die ihn nicht nur nachdrücklich von allen Menschen verlassen sein, ihn nicht nur die wenigen, die zu ihm standen, fortweisen ließ, sondern ihn ausdrücklich das ewige Gemeinschaftsband, das ihn mit dem göttlichen Vater verknüpfte, den Heiligen Geist, in dessen Hände übergeben ließ, um das völlige Verlassensein auch von Seiten des Vaters bis zur Neige durchzukosten.
... dieser Tage gelesen in Balthasars Cordula oder der Ernstfall.
Zu den Büchern, die man in einem Atemzug liest, gehören die Glaubensparadoxe von Henri du Lubac wohl kaum - ich blättere gerne aufs Geradewohl in den Seiten hin und her, um mich auf andere (ich hoffe: gute) Gedanken zu bringen. Von solchen wimmelt es in diesem Bändchen, einer Mischung aus Aphorismen, kurzen Impulsen, Reflexionen ... dann und wann mit der Tendenz zum (sehr) knappen Essay. Gerade heute griff ich danach und stieß auf eine Warnung, die mich an einen Bloggerkollegen erinnerte: an Tobias vom Blog Huhn meets Ei.
Lebt, denkt und leidet man nicht mit den Menschen seiner Zeit als einer der ihren, so wird man im entscheidenden Augenblick vergeblich versuchen, sie anzureden, seine Sprache ihrem Ohr anzupassen.
Mag sich nun jeder seinen eigenen Reim drauf machen, was mit "im entscheidenden Augenblick" gemeint sein dürfte. Ich vermute: Rümpft man die Nase, wenn man etwa einer erklärt nonbinären Person mit Nasenring, verwegenen Tattoos und grün gefärbten Haaren gegenüber steht, dann kann man die Samenkörner des Evangeliums auch gleich mit voller Absicht in die Disteln schmeißen. Tatsächlich ertappe ich mich immer wieder bei einer Haltung, die Mitmenschen abwertet, nur weil sie meinem Gusto nicht entsprechen wollen. Gewiss: oft mag Provokation und Protest beabsichtigt sein und harsch auftreten (nicht nur im Äußeren, sondern in der gesamten Haltung).
Dennoch die Frage: Wieviel ehrliche Hinwendung, Geduld und Liebe bringen wir Zeitgenossen entgegen, die uns prima vista nicht ins Bild passen? Wollen wir das überhaupt - ihnen begegnen? Und: Wieviel Geduld und Liebe erwarten wir von Gott, der bei uns vielleicht keine abgefahrenen Piercings sieht, aber dafür umso tiefer in unsere Abgründe schaut?
Am Rande: Danke, Tobias, auch für den Einsatz rund um die Blogozese ...